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1Dichten, Welt verdichten, fassbar machen herausheben – verschwinden lassen – neu erfassen Kopfarbeit |
2Ein Gedicht ist ein Spiel um die Welt. ... dessen, der schreibt ... Ein Gedicht ist ein Spiel um die Welt um den Verlust dessen, der schreibt.
... am Gewinn neuer Welten überall ... |
3Wie formt man die Widersprüche? Wie lernt man wieder sehen? Wie wieder hören – wieder fühlen – wieder ... Wo bin ich diesmal wohl zu Haus? |
dicht machen
die welt vordergründig einfach bist du nicht so einfach gewoben zu dichten außer wird schwer du |
5Die Form war das ProblemWie bringt man das unter einen Hut, Komplexität und Inhaltsverschiebung je nach Kontext, dann, wenn es doch nur ein einzelnes Gedicht sein kann, was dies erfassen soll? Ich hatte lange probiert, die verschiedensten Stile und Formen, bis eines Tages das da war:
Das war ganz konkret: ein dunstiger Morgen, ein voller Mond, gerade eben so klar erkennbar, dass er da war und doch auch wieder nicht, wie hinter einem Schleier: versoffen halt ... Das blieb so ein paar Jahre stehen. Es ließ sich kein Platz dafür finden. Bis eines Tages folgende Zeile kam:
Irgendwie, ich weiß nicht mehr warum, verbanden sich die beiden Zeilen, ungefähr so:
Das flirrt in diesem Text, Unruhe ist darin, aber undeutlich, schwebend, will bereinigt sein. Ein probates Mittel ist, die Zeilen aufzubrechen, umzuordnen:
So befriedigt das aber keineswegs. Das verdoppelte "im dunst" - es stört. Warum nicht eines streichen:
Ein Aha-Erlebnis! Plötzlich steht es da: Sie bilden eine Einheit, die drei Zeilen, und sind doch getrennt, je nach Lesart, zwei und zwei hängen sie zusammen und können doch im Ganzen nicht voneinander lassen. Ab da floss es fast von alleine. Es ging so weit, dass ich in Komplexen zu denken begann, dass die Verschränkung schon da war, bevor noch die erste Zeile auf dem Papier stand: Die Sicht auf die Welt hatte sich durch einen technischen Trick grundlegend verändert. Es ist natürlich auch hierbei nichts völlig neu unter der Sonne. Das fand ich Jahre später zufällig beim Blättern im Lexikon heraus: Die Technik des Verschränkens unabhängiger Satzfragmente durch einen gemeinsamen dritten Teil nennt sich apokoinu (mit Betonung auf dem u). Im Mittelalter war sie beliebt. Und Enzensberger hat sie einmal intensiv verwendet. Das wusste ich alles nicht. Für mich war es neu. Und es blieb mein Eigen, bis heute. |
versoffen hängt der mond im dunst über den dächern der städte treibt unfrieden im morgen schleift seine messer der horizont zeiten gleiten vergangenheit ersäuft die räuber |
dem leben ausdauernd in dauerlosigkeiten gehetzt noch hängt der mond |
hinter den wäldern |
7LesartenDas Verschränken zweier Zeilen über eine dritte war nur der Anfang. Ein intensives Suchen nach verwandten Möglichkeiten setzte ein.
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nicht im wein mond |
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1weit sieht da fällt durch unsern berg nein nicht so ist der mond gräbt mein schatten in dich da komm ich hier im vollen wein |
2weit sieht hier der wein im vollen mond nein durch den berg gegangen weit im hang in dich da kaum diese nacht zu diesem mond |
3weit sieht da fällt dein steiler schatten nein bin ich um dich durch den berg gegangen weit im hang tief hinein kaum diese nacht im vollen wein |
Zumeist ändert sich nur der Blickwinkel etwas. Die Farbe, der Kontext verschiebt sich ein wenig, je nachdem welche Verklammerung durch das Gliedern hervorgehoben wird. Mitunter kann sich der Sinn vollständig verkehren. Man muss sich letztlich für eine Form entscheiden. Eine sieht am besten aus. Eine kommt den Vorstellungen, dem "Gefühl" beim Schreiben am nächsten. Die anderen Lesarten bleiben dennoch erhalten. Dabei bleibt es aber nicht. Es gibt noch mehr Möglichkeiten, verschiedene Lesarten durch geeignetes Gliedern in ein und demselben Text anzubieten. Mit zwei Möglichkeiten habe ich hin und wieder experimentiert:
Es ist noch komplizierter. Solche Hervorhebungen müssen durchaus nicht immer zur Strukturierung dienen. Ihr ursprünglicher Zweck, das Besondere jener Textstelle innerhalb des Gedichts erfahrbar zu machen, bleibt erhalten. Man muss lesen, lesen, lesen. Das gilt auch für den Schreibprozess. Dieser Text zum Beispiel lässt sich auch derart aufgliedern. (Um es deutlich zu machen: Zuerst werden in jedem Vers alle roten, dann alle grünen, dann alle blauen Zeilen gelesen.)
Nicht vergessen: Der Vers als Gesamtes, ohne Zusatzgliederung, will auch gelesen sein. |
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1
weit sieht |
2
nein |
3
gräbt mein schatten |
So etwas geht nicht jedesmal. Man muss von Fall zu Fall neu suchen. Es gibt immer wieder Entdeckungen zu machen. ... auch für den autor ... Für den Schreiber ist so etwas gefährlich! |
8Das Deuten hängt davon ab, ob und wie man sich der Welt zugehörig fühlt.
Das ist der realistische (nicht der optimistische) Weg. Die Fragen und die Zweifel bleiben dabei.
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9Ein guter Text bewegt sichBesonders in Gedichten.
Irgendwann kommt fast jeder Text zum Stillstand. Normalerweise aber – oft bei jedem Wiederlesen – muss man ändern, ändern, ändern. So ein Text lebt aus sich selbst Natürlich ist so etwas nicht neu. So entstehen manchmal Und jede ist für sich alleine wichtig! Es ist wichtig für den, der schreibt. Denn ist meine Welt in anderen zum Leben gekommen, |
Nachtrag im Jahre 2008
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