Einzelgänger, Träumer, Schreiben: Wahrscheinlich ist es Veranlagung: Seit jeher bin ich gerne für mich alleine. Ich arbeite am besten alleine, ich denke am liebsten alleine (und spintisiere alleine – Qualität lässt sich so allerdings nicht garantieren).
Eigentlich ganz gute Voraussetzungen zum Schreiben. Nicht dass ich keine Freunde hätte. Es waren nur nie viele. Das macht das Artikulieren, das Argumentieren schwer: Was so für sich selbst erdacht wurde, interessiert andere oft nicht, oder sie kennen es schon, oder es ist einfach nur Spinnerei – es ist sehr schwer, richtig zu formulieren, wenn man nur im Stillen denkt. Mehr als Lamento: Diese Eigenheit hat zu mehreren Gelegenheiten entscheidend den Lebensweg geprägt.
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Erste Schreibversuche: Schuld war eine Strafarbeit, die wegen Verschleppens immer länger wurde: Sie verdoppelte sich von Tag zu Tag. Schließlich wurde mit einem Besuch bei den Eltern gedroht. Um dem zuvor zu kommen, schrieb ich in der Nacht auf den Knien vor dem Bett (ich hatte ein eigenes Zimmer damals) voll Erwartung ein ganzes Schulheft mit einer Abenteuergeschichte voll. Der Rest war ein Menetekel: Die Geschichte wurde nie gelesen – nur die Seiten hat er gezählt, dieser Lehrer damals, mehr nicht – was auf ihnen stand war ihm uninteressant, er sah es gar nicht erst.
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Erste Veröffentlichung: Genau genommen liegt die allererste Veröffentlichung weit zurück, irgendwo zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr (ich weiß es nicht mehr genau).
Einen Klub hatte ich gegründet damals, einen "Hilfsbereitschaftsklub (HBK)", der alten Leuten behilflich sein sollte. (Sowas war Mode und wurde von verschiedenen Kinderzeitschriften – Micky Maus zum Beispiel – ausdrücklich gefördert.) Das funktionierte. Aber der Ort war nicht gut. Unser Kasten war nach mehrfachen Anschlägen (vorzugsweise mit Feuerwerkskörpern) kaum noch zu gebrauchen. Empört! Brief geschrieben. Zum lokalen Mitteilungsblättchen gebracht.
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Freiburg im Breisgau: Viele, die ich kenne, haben sich in diese Stadt verliebt.
Meiner Mutter ging das ähnlich: In den späten 30er Jahren aus einer reichen Bürgerfamilie von Essen nach Freiburg verschlagen, war sie Buchhändlerin geworden und hatte sich gegen Kriegsende in einen holländischen Zwangsarbeiter verliebt und ihn dann geheiratet. Als ich zur Welt kam, war Freiburg zerstört, Ende 1944, glaube ich, bei einem dieser völlig sinnlosen Bombenangriffe. Meine Eltern steckten damals mittendrin, und irgendwie muss sich das auf mich übertragen haben:
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Haßlach an der Kinzig: Es war vor allem die Milch, die meinen Vater, der eigentlich Buchhalter war, zum Umzug bewogen hatte. Die Mutter konnte nicht stillen – und das Kind hatte eine ungemein empfindliche Haut: Es sollte regelmäßig in Milch gebadet werden.
In Milch! Das damals! Wo es kaum noch was gab! Ich weiß nicht, wie er es schaffte, aber mein Vater bekam eine Stelle in einer Molkerei auf dem Land. Meine Eltern zogen um. Ich wuchs die ersten Jahre in einem Wirtshaus unterm Dach auf (jedenfalls erinnere ich mich so). Viel ist nicht im Gedächtnis geblieben, aber eines, das kehrt immer wieder: Und noch etwas (glaube ich) von da: Eine junge Frau malt Menschen, mit Buntstiften; der Hautton, sagt sie, sei nur ganz schwierig zu treffen. Jahre habe ich später damit zugebracht, Hautton (oder was auch immer) zu treffen; es ist mir nie so gelungen ...
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Hausmann: In Maßen. Es ist weniger, als ich tun sollte. So ist es halt doch immer wieder die Frau, die einkauft, kocht und putzt und spült.
Jedenfalls in den Phasen, in denen ich schreibfähig bin. Dann geht nichts anderes: Gutgemeinte Theorie (der Haushalt ist zu teilen) und wirkmächtige Praxis (entweder Haushalt oder Schreiben) stehen da in unauflösbarem Widerspruch zueinander. Auch etwas, was ich erst mühsam lernen mußte: Dass ich so – und gerade so – bin.
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Idylle: Ich mag Idylle (wer tut das nicht), aber ich verfalle ihr nicht. Man braucht einen Raum, wo man weggleiten kann. Die Probleme drängen sich eh viel zu dicht auf die Haut. Dennoch glaube ich an sie, die Idylle. Bei Licht und mit gehörigem Abstand besehen entpuppt sie sich meist als Ergebnis von Faulheit und Schlendrian. Meine idyllischen Stellen sind immer etwas schmutzig, immer deutlich unaufgeräumt. Nur auf Fotos, da sieht das ganz toll aus. Man fühlt sich sauwohl dabei. Solange man es aushält. Vollkommen sind sie nie, klar, aber trotzdem: Idyllen treten weit häufiger auf, als man denkt. Meist sind sie versteckt. Man kann sie nicht suchen. Sie lassen sich nur finden. Ich habe das ganz sachte gelernt im Lauf der Zeit. Ohne gelegentliche Idylle wäre sowas kaum auszuhalten für einen wie mich.
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Menetekel: Göttliche Warnung, wörtlich "mene tekel u pharsin" (gezählt, gewogen und zerteilt), unser: "Gewogen und zu leicht befunden".
Ich hätte darauf hören sollen!
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Mikrocomputer, Wie es dazu kam: Zum ersten Mikrocomputer kam ich wie die Jungfrau zum Kind - wir hatten zwei Mofas, die wurden gestohlen.
Eben zur rechten Zeit, in Physik war kein Platz am Institutsrechner mehr frei, das hätte ein Semester extra Wartezeit erfordert - da stand in einer Fachzeitschrift die Anzeige: Mikrocomputer zum Selbstbau. Das Geld von der Versicherung reichte gerade – ein paar Wochen später war der Bausatz da.Für die Physik konnte ich ihn nicht mehr gebrauchen - aber das ganze folgende Leben wurde verändert.
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In Milch baden: Es ist eine Familiensage.
Ob ich wirklich jemals in Milch gebadet wurde, kann ich nicht sagen. Falls ja, hat es traumatische Folgen gehabt:
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Und noch was ... : Sie merken was? Dieser Mann verzettelt sich. Dieser Mann verzettelt sich immer. (Auch jetzt, sonst stünde hier viel weniger Text.) Aber so ist er, und irgendwie ist es sogar eine Stärke. Und irgendwie bringt er trotz allem eine ganze Menge zu Ende. Manche ärgert das. Manche verdammen das. Manche lässt es kalt. Erstens: Es bewegt sich zuviel. Im Kopf, meine ich. Wenn ich etwas anschaue, im Ernst anschaue, ist gleich eine ganze Welt mit dabei – Vergangenheit und Zukunft, Gelungenes und Schwächen und viele, viele Möglichkeiten ... Zweitens: Nichts ist perfekt genug. Eben deswegen. Man sieht etwas, und es ist gut, und es reicht dann doch nicht und könnte immer, immer noch besser werden. Drittens: Pure Angst. Angst, dass die Kraft nicht reicht. Angst, dass alles falsch ist. Angst, dass alles kaputtgeht, rührt man nur daran. Da schleicht einer monatelang wie die Katze um den heißen Brei. Obwohl er sich doch eigentlich darauf freut. Oder gefreut hat. Verzetteln!
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Verschenkt: Im doppelten Wortsinne zu verstehen. Ich habe viel verschenkt. Immer wieder. Weggegeben und (unter Wert) verschleudert und viel zu oft einfach nur verloren. Mitunter mussten die Beschenkten mit Tricks überzeugt werden. (... können Sie ruhig nehmen, ist ja ohnehin schon da ...) Sonst glaubte einem keiner, dass es ernst gemeint war, dass es um die Sache ging, dass etwas da war, was unter die Leute wollte, egal unter wessen Namen. Hat wenig mit Altruismus zu tun, eher mit Unfähigkeit, etwas alleine zu bewältigen ... Vieles ist verloren gegangen, viel zu vieles nicht verstanden worden, allzu vieles einfach nur falsch gewesen.
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Volksschule: Ja, eine richtige 8-klassige Volksschule in diesem Ort vor Pforzheim. Sie war gar nicht so schlecht, so für die Zeit damals und im Nachhinein betrachtet.
Hauptproblem: Der Kerl war extrem blass, extrem dünn und einer der Schwächsten. So wurde er fast mit Notwendigkeit zum Einzelgänger. Wichtigstes Ereignis: Die erste große, heimliche, Jahre andauernde Liebe – von der niemand etwas wusste, am allerwenigsten die Angebetete selbst.Zweitwichtigstes Ereignis: Ein Französischkurs – die erste Fremdsprache von vielen, in die ich im Lauf der Zeit hineingerochen habe. (Abgebrochen im Übrigen kurz vor Schluss eben wegen jener großen Liebe – sie saß mir gegenüber und ich hatte nur noch Aug und Ohr für sie – zuviel und zuwenig zugleich für die Lehrerin ...)
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Waldorf, Anthroposophie: Meine Frau ist in einer anthroposophischen Familie groß geworden. Irgendwann kam die Zeit, dass sie Waldorf-Lehrerin werden wollte. Wie es nämlich in Marburg mit dem traditionellen Studium nicht mehr so recht lief, nahm sie eine Auszeit und ging erst mal als Praktikantin zum anthroposophischen Behinderteninternat ins hessische Bingenheim. Daher das Waldorf-Lehrerseminar. Mich hat das nämlich interessiert, was meine Frau da machen wollte, die Anthroposophie. Fragen. Sich auf Neues einlassen - unbedingt einlassen - und doch Abstand wahren. Anthroposoph bin ich keiner geworden, nein. Aber ich habe Menschen besser verstehen gelernt. Da war alle Zeit, alle Muße weitgehend dahin.
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