Lebensereignisse
von
Bernd Pol

Zurück Zurück zur Willkommensseite Nach unten

30.1.1946 Geboren in einer total zerbombten Stadt. Freiburg im Breisgau
Bis 1950 Erste Jahre in einer Schwarzwaldidylle, von der ich fast nichts mehr weiß. Haßlach an der Kinzig
Bis 1962 Eine prägende Zeit am Tor zum Nordschwarzwald im Tal der Enz und den Wäldern darum herum. Birkenfeld/Württ.
(bei Pforzheim)
1952–1960 Volksschule Birkenfeld
1958/1960 Erste ernsthafte Schreibversuche – fester Vorsatz:
Du wirst (wie auch immer) Schriftsteller werden!
Birkenfeld
Pforzheim 1960–1962 Erster Versuch etwas Ordentliches zu lernen:
– Lehre als Elektroinstallateur
(Schmählich durch Flucht abgebrochen.)
Landau/Pfalz 1962/1963 Zweiter Versuch etwas Ordentliches zu lernen:
– Lehre als Radio-/Fernsehmechaniker
(Da gab es Probleme mit dem Chef.)
Herxheim / Landau 1963–1964 Dritter Versuch etwas Ordentliches zu lernen:
– Lehre als Radio-/Fernsehmechaniker
(Diesmal in einer Kofferradio-Fabrik.)
Herxheim / Landau 1964/1965 Endgültiger Versuch etwas Ordentliches zu lernen:
– Lehre (mit Abschluss!) als Elektroniker
(Ein nahtloser Übergang mit Bruch: Die Firma hatte eine Abteilung für Tischcomputer eingerichet. - Ich wurde dorthin strafversetzt.)
Zweiter Bildungsweg: Mittlere Reife nachgeholt
Abendkurs an einer Berufsaufbauschule
(Das hatte seine Nachteile. Zwei davon: Ich habe keinen Führerschein und meiner Lebtag nie tanzen gelernt.)
1962–1965 Landau
Zweiter Bildungsweg: Abitur nachgeholt
(Ketteler-Kolleg)
1965–1969 Mainz
Schule unterbrochen, Schreibmaschine gekauft
Ernsthaft zu Schreiben versucht, mehrere Preise gewonnen, aber sonst kaum Erfolg
Gehungert, Schreibmaschine versetzt, Schule wieder aufgenommen
Einige Jahre kaum mehr ernsthaft geschrieben
1967/1968 Mainz

Inzwischen aber war Wichtiges passiert ...
1959/1960 In der Schule wird ein Film über den Begründer des Roten Kreuzes, Henry Dunant, gezeigt.
Der Film wird zum Schock: In einer Szene explodiert eine Granate in einem Unterstand, Körper fliegen wie Puppen durch die Gegend, alles lacht – und dann lässt einen das Bild seiner Lebtag nicht mehr los:
"Nie, nie, nie mehr darf so etwas passieren!"
(Die Konsequenzen sind letztlich mager. Ich bin nicht der Mensch, so etwas in der Praxis durchzusetzen.)
Aber es prägte ein für allemal die Sicht auf die Welt.
Birkenfeld
Aug. 1961 Die Mauer wird gebaut. Die Presse überschlägt sich.
Das trifft einen Pubertierenden hart: Solches Unrecht muss doch verhindert werden!
Wochenlang lungert der da in seiner Freizeit am Pforzheimer Hauptbahnhof herum, brütet über Rettungsplänen, wartet auf ein Wunder, irgendeines ...
Berlin / Pforzheim
Nov. 1961 Wunder gibt es keine, nicht für mich ...
Dafür werden die Belastungen am Arbeitsplatz unerträglich: Der Junge ist körperlich einfach zu schwach, Unsicherheit, Intrigen, Mobbing kommen hinzu ...
Eines Morgens stopft einer seine Arbeitskleidung in ein Schließfach am Bahnhof, kauft für sein letztes Geld eine Fahrkarte nach Karlsruhe und haut ab ...
Wohin? Bestimmt nicht zur Fremdenlegion! Obwohl das später niemand glaubt. (Denn sowas war damals bei Ausreißern Mode.) Igendwie gab es da die Vorstellung, man könne um die Grenzen herum gehen, bis nach Berlin womöglich.
Denn da wurde man doch gebraucht ...
Pforzheim
1961/1962 Die Flucht war schnell zu Ende, noch vor der französischen Grenze, eine Nacht in der Arrestzelle, dann wieder daheim...
Die Lehrstelle war darüber auch flöten gegangen.
Zeit zum Nachdenken, Pläneschmieden, Warten
Birkenfeld
Ende 1961 Ganz unverhofft dann doch so etwas wie ein Wunder:
Ein Algebrabuch (aus der damals neuen Berufsaufbauschule in Pforzheim) eröffnet völlig neue Welten.
Mathematik, Physik – Ah! Das müsste man können! Irgendwann studieren dürfen! Ah!
Birkenfeld
1963/1964 Soziale und Rassenunruhen in den USA
Die Welt wird da von einem neu durchdacht.
Woran liegt es? Was kann man tun?

Entwürfe zu einem (unglaublich) utopischen Sozialismus entstehen.
Aber es war ernst gemeint – und es sollte prägen ...
Landau
1967 Volljährig!
Jetzt wird aber ernst gemacht mit dem Leben, dem Frieden und dem ganzen Rest ...
Mainz
1967 Erster Versuch, politische Träume zu realisieren: Deutsche Friedens-Union (DFU)
Davor Parteiprogramme gewälzt und versucht, mit Leuten zu reden, aber:
Keine andere Partei wollte anscheinend ernsthaft etwas tun.
Mainz
1967/1968 Wahlkampf – Fast keine Stimmen für die DFU
Grenzenlos enttäuscht
Erst mal gar keine (praktische) Politik mehr!
Mainz
1967/1968 Durch Zufall an Karl Marx und Lenin geraten.
Elektrisiert: Da will jemand (im Prinzip) dasselbe wie ich!
Nur besser wissenschaftlich unterfüttert.
Einen Russisch-Fernkurs (und einen Fernlehrgang zum Zeichnen und Malen!) gekauft – Kein Geld mehr – Gehungert
Aber ungemein produktiv und glücklich ...
Mainz
1968 Die Welt stürzt um!
Notstandsgesetze – Prager Frühling – Studentenproteste
Meine allererste Demonstration ...
Mainz
1968 Gammeln reicht nicht! Man muss etwas tun!
Zufällig von der Neugründung der DKP gehört:
Da musst du hin!
Zweiter Versuch, politische Träume zu realisieren.
Mainz

---

Mainz Erster Studienversuch:
Politik, Geschichte, Soziologie
Dazu inoffiziell (aus reiner Neugier): Russisch (Slavistik)
1969–1970
Mainz Das Russisch-Studium zeigt erste Ergebnisse:
Frau kennengelernt
GEHEIRATET
1970
Marburg/Lahn Zweiter Studienversuch:
Politik, Geschichte, Slavistik (diesmal ganz offiziell)
1970–1972

---

Marburg Wieder eine Schreibmaschine gekauft – viele Schreibversuche, z.B.:
Ein Abenteuerbuch für Kinder (in drei Wochen heruntergehauen – ein fürchterlich in die Hose gegangener Versuch)
Gedichte in verschiedenen epischen Stilen (zumeist Gott-sei-Dank verloren gegangen)
Ein Streikroman, eine Science-Fiction-Geschichte (alles kaum über die ersten Kapitel hinaus gekommen)
1970–1975
Marburg Erster Studienabbruch:
Leitung der Filiale einer linken Buchhandelskette übernommen
1972–1975
Marburg Eine Gruppe vom "Werkkreis Literatur der Arbeitswelt" mitgegründet
Die hat recht magere Ergebnisse gebracht – immerhin aber eine wichtige Erkenntnis:
Ich kann weder in einer Gruppe schreiben, noch auf Befehl ein bestimmtes Thema behandeln.
Und ich kann nur schwer Termine einhalten ...
1974/1975

---

Dritter Studienversuch, diesmal:
Physik und Mathematik
(Das wollte ich doch schon immer tun! – Wozu denn sonst die ganzen Strapazen mit dem Zweiten Bildungsweg?)
1975–1977 Marburg
Eine Wunderwelt tut sich auf:
Die Universitätsbibliothek in Marburg war damals bis 22 Uhr geöffnet. Und es gab freien Zugang zum Zeitschriftenarchiv. Und es saß kaum jemand im Lesesaal.
An die zwei Jahre fast jeden Nachmittag/Abend dort gesessen, gestöbert, gelesen - quer durch das Wissen der Welt:
Eine universale Viertelbildung zugelegt.
1976/1977 Marburg
Die erste Veröffentlichung!
Aus dem hohlen Bauch heraus einen Beitrag in der Fachzeitschrift "Elektronik" kommentiert. Brief ohne weitergehende Absichten abgeschickt.
Ein paar Monate später den Beitrag als Artikel gedruckt (und bezahlt) gefunden.
Euphorie!
1976 Marburg/München
Vordiplom in Phyik/Mathematik abgelegt
Das war allerdings dann auch das Ende des Studiums ...
1977 Marburg
Noch eine Wunderwelt:
Der erste Mikrocomputer.
Zunächst nur ein Bausatz zum Selberlöten und fast ohne Speicher – aber immerhin – etwas Neues, etwas ganz was Neues!
1977 Marburg
 Stuttgart  1977 Umzug: Die Frau geht zum Waldorf-Lehrerseminar auf der Stuttgarter Uhlandshöhe.
Selbst jedoch in Stuttgart um nur wenige Tage den Immatrikulations­termin für die Universität verpasst.
Zwei Sachen, die lebensentscheidend wurden.
 Stuttgart  1977/78 Was tut man in derart erzwungener freier Zeit?
Die UB hatte bei weitem nicht die von Marburg gewohnte Qualität. Sie war zu weit weg und langweilte irgendwie. Vor allem aber machte sie viel zu früh zu.
So kam dieser Ansatz rasch an sein Ende.
 Stuttgart  1977/78 Der Mikrocomputer!
Zufall, dass ich hier zum Schreiben kam. Aber die englischen Handzettel bei den Bausätzen nervten. Also wurden sie übersezt. Von mir.
Es war ein Versuch. Doch niemand wollte die Übersetzungen kaufen. Zu teuer. (Und wer braucht sie schon.)
Also wurden sie verschenkt. An den Lieferanten. Einfach so.
Stutgart/Worms 1978–1992 Gute Taten zahlen sich aus!
Kontakte entstanden und brachten den ersten Übersetzungsauftrag.
Damit waren die Weichen gestellt.
Die folgenden Jahre als Fachjournalist und Übersetzer für Elektronik verbracht.
– Bücher übersetzt, Artikel übersetzt, Anleitungen übersetzt.
– Bücher geschrieben, Artikel geschrieben, Anleitungen geschrieben.
Experimentiert, programmiert, viel Zeug für sich selbst geschrieben.
Unmengen gelesen, gelernt, nachgeholt, Ideen gehabt.

– Einen Fernkurs mitgeschrieben.
Viel zuviel auf einmal gemacht ...

Versuche – Erfolge – Niederlagen
1979/1980
1983–1985
BASIC Damit fing es richtig an.

Arbeiten für Anfänger. Das erste eigene Buch.
Die ersten eigenen ernsthaften Programmierübungen.

Das blieb kleben. Wie Pech!
Ganz wie Pech!

Es wurde gut angenommen, das Buch. Es zog Kreise. Nach einiger Zeit fragte ein Fernlehrinstitut an, ob ich nicht einen BASIC-Fernkurs schreiben könnte.
Ging nicht. Ich hatte zuviel mit anderem zu tun.

Ich hätte dabei bleiben sollen.

Ging aber auch nicht. Ein gutes Jahr später war es wieder soweit: Der BASIC-Autor war abgesprungen. Ob ich nicht vielleicht ... Es würde auch gut bezahlt ...

Da kann einer nicht Nein sagen. Da ist einer binnen kurzem weit über den Hals mit Arbeit überhäuft. Da kommt einer nicht mehr raus.
Da kann einer irgendwann nicht mehr. Ein paar Sätze am Tag. Zwei, drei Stunden am Tag.

Mehr nicht ...

Stuttgart
1981–1985 CP/M Wo Erfolg und Niederlage Hand in Hand gingen.
Es war nicht gewollt so, kam aber dann doch: das CP/M-Buch.

Eigentlich sollten es mehrere Bände werden. Aber es blieb bei dem einem einführenden Buch. Das aber machte Furore (und wurde über 30.000 Mal verkauft).

Auf Jahre hinaus war danach einer auf ein Thema (CP/M) und eine Ziegruppe (Computeranfänger) festgelegt. Und kam nicht weiter. Und kam nicht weiter.

Das ging Hand in Hand mit dem BASIC-Fiasko.
Irgendwann konnte ich fast gar nichts mehr schreiben.

Stuttgart
1964–heute KI Warum funktioniert so ein Computer eigentlich?

Ja, warum? Und wie kann man ihn intelligenter, menschennäher machen?

Jahre, Jahrzehnte, bis heute hat da einer darüber gebrütet. Nur, um letztlich zu resignieren: Es geht nicht!

Dennoch war es nicht umsonst. Abgesehen davon, dass die komplexe Rechenmaschine annähernd verstanden wurde.
Es hat immer wieder zur Philosophie geführt.
Zu den Grundfragen nach dem All, dem Leben und dem ganzen Rest...

Stuttgart
1981–1992 Compilerfragen – Und was ist Sprache?

Die Fage stellte sich ganz früh, schon in der Zeit, als Programme noch Byte für Byte in die Maschine eingetippt werden mussten. Ja, eigentlich noch früher, bei der ersten Bekanntschaft mit Computern während der Lehrzeit.

Es gehört zur Faszination der Künstlichen Intelligenz und ist doch ganz eigenständiges Thema.

Der formale Ansatz, mit dem Compiler gebaut wurden, passte mir nicht. Die Sache funktioniert, klar, aber umständlich, viel zu umständlich:
Nicht mein Verständnis von Sprache.

Aber was soll Sprache dann sein?

Zehn Jahre Studium.
Philosophie. Sprachtheorie. Erkenntnistheorie.
Compilertheorie.
Zehn Jahre Mühe. Immer wieder abgezwackt von einer eh immer viel zu knappen Zeit.

Und dann die Erkenntnis:
Ich kann mich nicht verständlich machen.
Meine Begriffe sind nicht die Begriffe der anderen.

Es kommt keine Diskussion in Gang.

Das fällt zusammen mit dem allgemeinen Frust.
Und da schmeißt einer mal wieder alle Brocken hin.

(Wundert das noch jemanden?)

Stuttgart/Worms
1979–1992 Kleinkram zum Leben

Man wird schlecht satt vom Träumen. Mit irgend etwas muss man sich seine Brötchen verdienen.
Solange es noch geht.

Anfangs waren es vor allem Übersetzungen von Zeischriftenartikeln. Deutsche Computerzeitschriften hatten noch zuwenig eigenes Material. Man holte sich den Stoff aus den USA.
Einige Jahre war das ein ganz einträgliches Geschäft.

Der Ruf wuchs dabei. Die Qualität der Arbeit auch.
Und die Kontakte.

So gab es immer wieder Aufträge aus der Industrie: Handbücher, technische Unterlagen, Internes.
Übersetzungen. Eigene Arbeiten.
Recht gut bezahlt, aber sporadisch.

Später wurde der Markt auch hier hektisch. Es blieb kaum noch Zeit für Recherche.
Dann schlief dieser Zweig ganz sachte auch ein.

Da kam es dann schon nicht mehr drauf an.

Stuttgart/Worms
1991–1993 Nochmal übersetzen

Dann kam der Umzug nach Worms. Und die Hoffnung, es würde besser laufen in der neuen Umgebung.

Es half nichts. Die Schreibhemmung blieb.
Und die Unlust wuchs.

Aber der Verlag hatte Vorschüsse bezahlt. Das hatte das Überleben gesichert. Nun wollte er etwas sehen dafür. Verständlich.

Also noch einmal übersetzen. Schöne große dicke Bücher.

Jetzt lief es wieder. Bei ersten Projekt. Das Original war gut. Und stimmig. Ich brauchte nur zu verstehen und zu schreiben.
Es brachte nicht viel Geld. Aber die Schulden wurden weniger.

Wäre es nur dabei geblieben. Bei den guten, sauberen, stimmigen Büchern.
Blieb aber nicht.
Das nächste Projekt wurde zum Fiasko.

Das Thema war interessant: Windows-Interna und was man damit anfangen kann. Die Anlage war fast perfekt. Ein hervorragendes Buch zum Nachschlagen.
Es hätte so schön werden können.
Dann aber kamen die Zweifel, Widersprüche während der Arbeit. Nachprüfungen.
Und da stimmte der Inhalt hinten und vorne nicht!

Zwei Möglichkeiten blieben: Aufhören oder Bearbeiten.
Man entschied sich für das Zweite. Das war interessanter. Aber es ging in die Zeit. Und Windows 95 zeichnete sich am Horizont ab.

Der Verleger wurde nervös. Termine verstrichen.
Nur die Ruhe - es wird ein tolles Buch ...
Dann, drei Wochen vor der Fertigstellung, sprang er ab. Experten hatten baldig mangelndes Interesse prophezeit: Kein Umsatz mehr.

Es war ein Fehler. Noch fünf Jahre danach schrien die Anwender in den Zeitschriften nach eben den Informationen, die so mühsam zusammengetragen worden waren.

Aber da war nichts zu machen. Das Manuskript wurde fertig. Aber es wurde nie gedruckt.

Hier warf einer die Brocken endgültig hin:
Nie wieder Bücher über Mikrocomputer!

(Der Verlag wurde, nebenbei gesagt, ein Jahr später verkauft.)

Worms

Jetzt aber richtig schreiben ...
1993–1999 Gedichte – Gedichte – Gedichte

Dann kam ein Ausbruch! Als hätte da etwas Jahre gewartet.
Mehr als fünf Jahre lang verging kaum eine Woche, in der nicht mehrere Gedichte (oft mehrere am Tag) entstanden.

Die meisten kamen unterwegs und wurden rasch, oft im Gehen, in eine extra zu diesem Zweck besorgte Mini-Kladde gekritzelt. Das Ding passte in eine Hemdtasche, war ständig bei der Hand und füllte sich im Lauf eines Jahres.

Von Zeit zu Zeit wurde der Inhalt in den (jeweils verfügbaren) Computer übertragen.
Das machte den Weg zur eigentlichen Gestaltungsarbeit frei.
Weil es aber immer wieder andere Computer und Programme waren, ging einiges verloren, und viel viel Zeit wurde immer wieder für das Konvertieren von Hand verbraucht:

Never trust a running Computer!

Kurz vor der Jahrtausendwende versiegte der Strom.
Jetzt tröpfelt es nur noch.
Vielleicht sind die Themen erschöpft. Vielleicht ist der Stil ausgereizt.

Vielleicht bereitet sich etwas ganz Neues vor!

Immerhin wartet ein Berg von Text auf seine endgültige Durcharbeitung.
Auch ein Bestandteil des Gedichteschreibens!

Worms
1994–1998 Kinderkram im Stegreif

Es war die Zeit, in der die Kinder noch klein genug für Stegreif­geschichten waren.
Aus dem Stegreif entstanden ganze Serien, als Gutenacht­geschichten die einen, als Begleitung für Schul- und Kindergartenwege die anderen.
Manchmal gab es Stegreifgeschichten ganz offiziell: Im Kindergarten zu Geburtstagen und anderen passenden Anlässen. In der Grundschule, selten, nur wenn die Lehrer mitzogen.

Das Dumme an Stegreifgeschichten war nur: Sie ließen sich kaum je aufschreiben. Sie entzogen sich selbst dann, wenn sie mitgeschnitten worden waren.
Geschriebenes und Gesprochenes erwies sich als inkompatibel. Sie veränderten sich beim Aufschreiben. Meist ging soviel Unmittelbarkeit und Frische verloren, dass sie nicht zu Ende gebracht werden konnten.

Das ist schade, denn viele von ihnen waren wirklich schön.
Ein paar wenige haben sich erhalten, z.B. in den Mondgeschichten.

Die meisten aber sind die jetzt vergessen.

Worms
1994–1999 Größere Erzählungen für Kinder

Zwei größere Erzählungen für Kinder (für meine Kinder) entstanden in dieser Zeit.

Die eine handelt davon, wie der Geist in die Flasche kam. Sie erwuchs aus einer traditionellen Flaschen- (Lampen-) Geisterzählung und wir noch heute wegen ihrer Skurrilität immer wieder mal gelesen.
Sie entstand (einschließlich der meisten Feilarbeiten) im Lauf des Jahres 1994.

Die andere sollte wesentlich länger werden und sehr viel länger brauchen um fertig erzählt zu sein. Sie nahm ihren Anfang im Herbst 1994 als Geschenk zum dreizehnten Geburtstag meiner älteren Tochter und zog sich über fünf Jahre, bis sie endlich fertig war.

Sie ist im Grunde ein Märchen, eine fantastische Erzählung zumindest (aber keineswegs eine Fantasy-Story). Das zeigt sich schon an der urtümlichen Benennung der Protagonisten:
Der eine ist Klein Hänschen, der andere der Dicke Fritz.

(Es gibt noch mehr Figuren mit seltsamen Namen:
Dijdrrommgrradufloxorri, der zauberkundige Zwerg, Krafzik, ein Pan, Fjelldur und Fjörni, zwei Räuber aus einem durch Grenzweiden abgeschirmten Zwischenreich.)

Märchenhaft ist das Thema:
Es ist eine Reise nach innen, bei dem die beiden Jungs zusammen mit der Schwester Helene von Klein Hänschen das Verborgene Reich vor der Zerstörung durch das Nichts bewahren sollen.

Das funktioniert, klar, und ist auch hinreichend spannend.
Nur über die Familie hinaus gab es kaum Resonanz:
Wer liest heutzutage schon ein Buch, in dem die Helden Klein Hänschen und Dicker Fritz heißen?!
Verlage ließen sich jedenfalls nicht davon überzeugen.

Es hatte aber einen unerwarteten Nebeneffekt: Meine jüngere Tochter (die andere), die bis dahin strikt jedes Buch von sich gewiesen hatte, fing damit intensiv zu lesen an. Und sie begann, die Welt mit gezeichneten Pegasussen zu überschütten, denn die spielen eine wichtige Rolle im Buch. Das hat angehalten bis heute – imerhin ist das Kind mittlerweile volljährig geworden.

Worms
1993–2002 Fragmente über Fragmente

Sehr viel schwieriger gestaltete sich das Erzählen für Erwachsene.

Nicht nur, weil ganz andere Stilvariationen nötig waren. Es war die pure Fülle von Einfällen: Ein paar Dutzend Themen wurden notiert oder wieder vergessen. Nur wenige angefangen, nur wenige zu Ende konstruiert.

Fast alles märchenhaft. Fast alles fantastisch. Und fast nichts bis heute fertig gemacht.

Denn wenn eine gerade in Fluss war, übernahm schon die nächste das schöpferische Gedächtnis. Und alles Schreiben ging wieder dahin.

Aber auch hier kehrt allmählich Ruhe ein:
Jetzt kann man sich an das Aufarbeiten machen.

Ds Leben verspricht für eine Weile noch spannend zu werden.

Worms
Juli 2002
bis
heute
Internet

Immerhin überaschend für jemanden mit so einer Geschichte:
Über zehn Jahre lebte ich ohne jeglichen Netzanschluss.

Das hatte praktische Gründe: Die Rechner waren zu teuer. Das Netz selber für lange Zeit auch. Unerschwinglich für jemanden, der beinahe gar nichts über den puren Lebenserhalt hinaus verdient.

Und es war der pure Überdruss. Da war einer das Geschwätz leid, das ihn zwei oder drei Jahre über durch Compuserve begleitet hatte. Es kostete Zeit, brachte kaum etwas und drang nur selten in interessante inhaltliche Tiefen vor.
Als es berufsbedingt nicht mehr notwendig war, fiel auch der Netzanschluss fort. Ein Jahr, bevor das Internet Gestalt annahm.

Aber da war es erst mal zu spät.

Man lebt ganz gut ohne Fernsehen und Internet. Vor allem hat man Zeit, viel, viel Zeit. Das lässt sich so richtig genießen.

Nur das Schicksal lauert in der Zeit: Es schlägt zu, wann und wie es keiner erwartet.
Im Juli 2002 kam - keiner weiß so recht wie, wieso und woher – ein Notebook mit Modem ins Haus.
Es war ein Fingerzeig. Seitdem ist einer mit Lernen, mit dem Konvertieren von Texten und dem Schreiben einer eigensinnigen Homepage beschäftigt.

Eigensinnig, wie das ganze Leben verlief.

Bis jetzt zumindest.

Worms

Zurück Nach oben